Liebe Kinder!

Ich weiß nicht, was ihr geworden wärt, Jungen oder Mädchen. Welche Haarfarbe ich in der Menschenmenge gesucht hätte, um euch zu finden. Welche Namen wir euch gegeben hätten. Ich habe nicht die Chance bekommen, euch in meinem Bauch trampeln zu spüren, euren ersten Schrei in mir aufzunehmen, euch im Arm zu halten. Ich weiß nicht, ob ihr sanft geworden wärt oder wild, bedächtig oder ungestüm.

Ich weiß nur: In meinem Herzen wäre noch genug Platz gewesen für euch. Eure Brüder scheinen mir sehr gesellige Charaktere, ich bin sicher, ihr wärt eine tolle Bande geworden. Und wie ich diese Zeilen schreibe, habe ich ein Bild von vier Kindern vor Augen, die barfuß und fröhlich durch unser Viertel ziehen.

Ich habe zu spät den Mann getroffen, mit dem ich euch noch hätte großziehen wollen. Unser Haus wäre viel zu klein gewesen für uns alle. Zusammen haben wir schon vier Kinder, bei fünf oder gar sechs verlief die Grenze, die jeder Mensch anders zieht.

Wehmut empfinde ich trotzdem. Ein bisschen Sehnsucht. Es ist wie Liebeskummer. „Man bereut immer nur, was man im Leben nicht getan hat“, hat mal jemand gesagt. Die Reise, die man abgesagt hat. Das Kind, das man nicht bekommen hat. Ich werde auch mit meinen beiden Jungs glücklich sein. Aber dass es nicht mehr Kinder werden, diktiert mein Verstand. Im nächsten Leben wird meine Seele schon älter und erfahrener sein. Ich werde hoffentlich wissen, wie schön es ist, Kinder zu haben. Früher damit anfangen. Und euch das Leben schenken, das ich schon jetzt gerne mit euch genossen hätte. Auch wenn es verrückt klingt: Schade, dass wir uns verpasst haben. Ich hab euch lieb.

⚓ HAMBURG-TIPP

Ich glaube nicht, dass man so eine Sehnsucht mit der „Schlusspunkt-Methode“ wegwischen kann. Aber vielleicht mache ich demnächst einen Abschiedsspaziergang an der Elbe lang. Sie wird noch durch Hamburg fließen, wenn mein Leben gelebt, meine Sehnsüchte vom Wind zerstreut sind. Andere Kinder werden an ihrem Ufer ihre Sandburgen bauen und ihre Flaschenpost in ihr Wasser werfen. An meine Limo in der „Strandperle“ wird sich niemand mehr erinnern.

(Auch wenn ich gerade eigentlich zu melancholisch bin für einen Tipp: Die Strandperle ist in Övelgönne. Am besten weil schönsten fährt man mit der Fähre hin.)