
Der will doch nur spielen!
Christoph Cantzler (46) zu beschreiben, ist gar nicht so einfach, wenn man Klischees vermeiden will. Also dann doch lieber gleich mitten rein: Lustige Augen, die tanzen, wenn er erzählt. Eine sich wild brechende Stimme, die irgendwo zwischen Bass und Sopran ihre Bandbreite zwitschert, vor allem, wenn Cantzler lacht. Und er lacht oft. Eine Hornbrille aus der Vor-Hipster-Ära. Und seine Sprache ist so herrlich blumig, da kommt man schon fast auf seinen Beruf! Wenn er sagen will, dass seine Frau und er „viel um die Ohren“ haben, dann sagt er: „Bei uns kreist der Hammer.“ Ein kreisender Hammer, so ein Bild muss man für sein Leben erst mal parat haben.
Gesamteindruck: Altersloser Freigeist.
Was sollte so ein lustiger, kreativer, offener Mensch anderes sein als Spiele-Erfinder? Ein Beruf, den ich persönlich erst gebührend bewundere, seit ich Kinder habe. Ich glaube: Um Spiele zu erfinden, muss man ganz viele gute Eigenschaften haben. Unbefangenheit, Neugier, Spieltrieb – und sich die auch über die Jahre erhalten haben. Wie das (vor allem vor dem Hintergrund, selbst eine Familie zu ernähren) klappt, verrät der Hamburger uns Hanse-Mamis! Und gibt dabei übrigens ganz nebenbei noch eine ziemlich empfehlenswerte Lebenshaltung preis…
Was hat du beruflich bisher so getrieben?
Eigentlich wollte ich Schriftsteller werden, habe Gedichte, Kurzgeschichten, Drehbücher und Theaterstücke geschrieben. Als mir klar wurde, dass mein erstes Stück nicht für die Bühne reicht, habe ich spontan ein Gesellschaftsspiel daraus gemacht. Das 1991. Das Erfinden hat mir soviel Spaß gebracht, dass ich weitere Spiele entwickelt habe. Weil ich mit meinen Spielen auch Geld verdienen konnte, bin ich dabei geblieben. Ab 1998 lief es so gut, dass ich meinen Job im Ticketverkauf nicht mehr brauchte und mich ganz auf die Spielentwicklung konzentrieren konnte.
Du hast mit deiner Frau Sandra selbst zwei Kinder. Wie alt sind die beiden?
Elinor ist 5, Moritz ist 9.
Haben die beiden deine Kreativität verändert?
Beide haben mich schon auf Ideen gebracht, die auch veröffentlicht wurden. Moritz hatte sich zum Beispiel mit dem Prototyp eines Spielelements über Stunden die Zeit vertrieben. Davon habe ich meiner Kollegin Anja berichtet und wir haben entschieden, eine ganz Reihe zu entwickeln, die jetzt bei moses erschienen ist. Einen Film zum Spiel gibt es hier: https://www.youtube.com/watch?v=zDFR81yMIBA
Elinor und Moritz werden mit der Zeit immer kritischer. Das ist gut, denn ich muss immer etwas besser werden…
Warum ist spielen eigentlich so schön?
Spielen ist für mich eine Frage der Haltung und nicht der Tätigkeit. So kann jede Tätigkeit zum Spiel werden, wenn wir ihr mit einer spielerischen Einstellung nachgehen. Wir spielen, weil die Folgen überwiegend positiv sind: Üben wir zum Beispiel unseren Beruf spielerisch aus, fällt er uns leichter, macht Freude und wir kommen zu besseren Ergebnissen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass wir im Spielmodus intrinsisch motiviert handeln, unseren Einsatz also leidenschaftlich bringen, und zugleich mit kühlem Verstand vorgehen. Natürlich sind damit Fehler und Verluste nicht ausgeschlossen. Aber es lässt sich beobachten, dass wir als Spieler nach Niederlagen schneller wieder auf die Beine kommen und es anschließend besser machen, also lernen. Wer spielerisch handelt, besitzt zudem eine hohe Anziehungskraft auf anderen Menschen, findet schneller Anschluss und kann zum Beispiel besser arbeitsteilig – und somit effizienter – handeln. Kurz: Der Mensch für seine spielerische Haltung belohnt.
Was wäre dein Traum?
Ich möchte bis zum Lebensende spielen und auch ernste Ziele spielerisch verfolgen können (woran ich auch regelmäßig scheitere). Und es ist schön, diesen Traum mit Kindern und Erwachsenen zu teilen. Wenn ich mit meiner Arbeit und meinen Spielen zu einer spielerischen Haltung im Alltag beitragen kann, bräuchte ich nicht mehr davon zu träumen.
Wenn du magst, dann erklär doch mal, ob und wie du von deinem Beruf leben kannst….
Ich gehöre zu den zwei bis drei Dutzend hauptberuflichen Spieleautoren in Deutschland. Meine Frau verdient auch gut. Zusammen stehen wir sehr gut da wie ich finde.
Foto: privat / von Elinor