Meine Kindheit habe ich in Bayern verbracht. Und jetzt dürft ihr alle Klischees darüber nach vorne wühlen: Grüne Wiesen, weißer Schnee, blauer Himmel. Einen bissigen Dackel immer an meiner Seite, wir päppelten mal einen Vogel, mal ein Eichhörnchen auf. Bauten Staudämme im Bach und radelten früh zu Omi, zum Eismann, zum See.

Und klar: Mit Eintritt der Pubertät war das Dorf out. Die Leute, das Freizeitangebot, der Dialekt: Wir waren im Herzen Städter geworden. Vielleicht, weil wir fürs Gymnasium in die Stadt pendeln mussten und neue Vorbilder hatten. Vielleicht, weil unsere Eltern auch nur Zugereiste und nie richtig mit dem Dorf verwachsen waren.

So sollte es eben sein, ich wollte seither nie wieder Dorfleben und bin glücklicher Städter – jedenfalls Hamburger. Aber seit es das Puffi gibt und nun auch Nummer zwei, grüble ich manchmal. Denn während ich das schreibe, sitze ich im Urlaub auf dem Familienbauernhof, und es ist, als wäre Heidi zurückgekehrt in die Berge: Das Puffi setzt sich unerschrocken auf jedes Pony, streichelt Hühner, füttert Enten, wirft sich ins Stroh und versucht Bäume hoch zu klettern. Wenn ich das sehe, frage ich mich, ob diese große, unbefangene Liebe zur Natur nicht einen Mangel im Alltäglichen findet, wo wir von Straßen umgeben sind, von Autos. Wo der Lärm groß ist und die Freiheit für einen Zweijährigen klein.

Heute früh ist er raus vors Haus gerannt, dort grasen Schafe, und mitanzusehen, wie sie abgeholt werden auf ihre Weide, war für Puffi der Knaller. Er hat gleich nach dem Frühstück darauf bestanden, seinen Reithelm aufzusetzen. Und ist unerschrocken einem Hahn hinterhergejagt in dem Willen, ihn an sich zu drücken (was das Tier freilich ablehnte).

Was mache ich daraus? Ich versuche immer, in der Stadt Land zu gewinnen. Wir haben einen kleinen Garten, in dem ich Spiel Spiel sein lasse. Der Sand darf in die Beete, der „Rasen“ darf gerupft werden. Und wenn beim Abenteuer haben mal eine Pflanze draufgeht, ist das so. Wir gehen oft ins Alstertal, und hinterm Haus liegen Siedlungsgassen und Spielstraßen, da kennt das Puffi jede Schnecke und jeden Regenwurm. Er darf barfuß unterwegs sein, Pfützen durchwaten, neulich hat er eine Schnecke abgeleckt, was soll`s. Noch mag er Regen genauso gerne wie Sonne. Noch ist das viel Freiheit, aber je größer er wird, desto kleiner wird sie in Relation zu seinen Kräften. Die Stadt wird ihn einschränken.

Ich weiß nicht, wie man das löst. Ich träume von einem Wochenendhäuschen am Meer, mit alten Fahrrädern im Schuppen und Spielkameraden, die ihn mitnehmen auf ihre Abenteuer. Von Hunden, Katzen und Schildkröten, die uns besuchen kommen. Ich träume kurz gesagt von einem Lottogewinn. Aber nur manchmal. Wenn ich aufwache aus dem Tagtraum, bin ich auch ohne glücklich. Packe das Puffi und Nummer zwei. Und dann machen wir uns auf – Regenwürmer suchen im Garten.

⚓ Hamburg-Tipp:

Hier gibt es so viel Natur! Wirklich urwüchsig und wenig artifiziell finde ich zum Beispiel den Wildpark Schwarze Berge. Bis mir jemand sein Strandhäuschen vererbt, ist das zwar immer noch „nur“ ein Tagesausflug mit dem Auto. Aber ein guter.