Ich weiß, es ist ein Mega-Trend: Stricken, Sticken, Häkeln, Nähen. Vor allem bei Müttern. Kommen ja auch tolle Sachen bei raus, und ich bewundere es auch immer gebührend, wenn die nächste Freundin sich eine Nähmaschine gekauft hat. Ist super, später auf Fotos zu deuten und zu sagen: „Das habe ich dir damals genäht. Schluchz.“

Mein Lieblingsonkel war schon als Kind begeisterter Näher in der Schule – er wurde Professor für Gesichtschirurgie. Man kann also behaupten: Ich sehe in jedem begabten DIY-er mindestens einen potenziellen Gesichtschirurgen.

Nur, aller Coolness zum Trotz: Ich mag nicht. Statt DIY heißt mein Trend: DIRYSAWMPF. Do it really Yourself – and without me please, folks.

Weil: Ich mag eben nicht. Da können Frauenzeitschriften in ihren Artikeln noch so oft beteuern, diesmal seien die Handarbeitsanleitungen für „DIY-Muffel“ oder „idiotensicher“: Ich mag eben nicht. (Übrigens hieße idiotensicher ja auch, dass ich trotzdem ein Idiot bliebe, der nur bei Gnaden der Anleitung dieses eine Teil produziert hätte. Solche Beleidigungen machen mich noch unwilliger. Mag meiner Antipathie nicht noch Idiotie unterstellen lassen). Es ist vielmehr so: Ich hasse Fäden, die sich verheddern. Nadeln, die piken. Nähmaschinen, die rattern und hängen bleiben. Ich finde Wollknäuele nervig.

War schon immer so. Ich hatte als Mädchen ernsthaft in der dritten Klasse eine 5 im Zeugnis: In Handarbeiten. Die super-Pädagogen meiner bayerischen Grundschule sahen keine Veranlassung, eine kleine Seele vor der Herabwürdigung zu schützen: Nix Gutes abgeliefert, nix Gutes in der Notenzeile. Das absolut Sympathische daran war allerdings: Ich fühlte mich gar nicht herabgewürdigt. Die objektiv korrekte Einordnung meiner Nicht-Leistung war mir wurscht. Irgendwas in meinem kindlichen Gehirn oder Seelenleben wusste zu bewerten, dass wir eben manchmal doch nur für die Schule, und keineswegs fürs Leben lernen (sollten). Und wenn du mit sieben schon beschließt, dass Wolle nicht so dein Medium ist, dann bleibt das eben so.

Wiederholte sich später im Sport: Während die Jungs auf den Bolzplatz oder ans Reck durften, sollten wir Mädchen „Rhythmische Sportgymnastik“ tanzen. Hieß: Mit Bändern, Reifen oder Bällen durch die Turnhalle tanzen. Tanzen! Springen! Ich! Weil ich wusste, dass ich dabei in etwa so viel Würde ausdünsten würde wie beim Abgeben einer Stuhlprobe, ließ ich mir eben 0 Punkte geben und las lieber ein Buch auf der Bank. Warum um Gottes willen ließ mich niemand einfach zehn Kilometer laufen? Wäre doch auch sportlich gewesen… und voll mein Ding.

Meine Sportlehrerin versuchte zu argumentieren: Man müsse sich immer wieder mal durchbeißen im Leben. Ihre Analogie lautete: Keine Keulen, kein Arsch in der Hose. Ich sehe es bis heute anders. Ich denke, man muss sich auch irgendwann selbst erkennen können. Bis heute weiß ich: Ich bin nicht ich mit einem Band in der Hand. Oder einem Wollfaden. Einer Stricknadel, einer Keule, einer Häkelanleitung, einem Ball.

Ich bin kein Hüpfer und kein Handarbeiter. Punkt.

Ich hoffe, meine Kinder verstehen das schnell: Dass man nicht alles können muss. Dass der Banknachbar, der super zeichnet, nicht cooler ist. Dass man nicht alles aus sich machen kann, einer massiven Ratgeber-Industrie zum Trotz. Dass die Aufgabe lautet, Freunde zu finden, die dich erkennen und so lieben, wie du bist. Das ist, nebenbei, auch eine große Aufgabe und oft mit Trial and Error verbunden. Und ich hoffe, ich vergesse auch nie, meine Kids so zu erkennen und zu lieben, wie sie sind. Von mir aus auch als Handarbeiter und Bänderwerfer.

ONLINE-TIPP

Eckhart von Hirschhausen sagts anders: Dass du als Pinguin unter Giraffen nicht glücklich wirst. Stimmt.

und mein

⚓ HAMBURG-TIPP:

Die Baby- und Kindersachen von Kind+Raum. Macherin Evy ist eigentlich Architektin – also Haus-Chirurgin, sozusagen. Dementsprechend toll fallen ihre textilen Machenschaften aus. Ich ziehe den Hut, vor Kreativität und Können.