
One day, Baby
Es gibt so viele Texte über Chancen, die viral gehen. Julia Engelmann. Randy Pausch. Steve Jobs. „Do one thing everyday that scares you“. Dance like nobody´s watching. Menschen, die anderen Menschen ihre Vergänglichkeit ins Hirn hämmern, zusammen mit irgendeiner modernen „Carpe your very special diem“-Version.
Manchmal frage ich mich, warum nie Kinder in diesen Texten vorkommen. Immerhin, Randy Pausch widmete seine Last Lecture seinen Kids und sprach über Kindheitsträume, Implikatur: Bleib ein bisschen ein Kind immer. Leider muss ich an der Stelle mal was Unromantisches sagen:
Ich hatte bekloppte Kindheitsträume. Weil: Ich war ein Kind vom Land mit einer dicken Brille und hatte keine Ahnung vom Leben. Also, Berufe wie Primaballerina fühlen sich im Real Life leider mal konkret viel scheißiger an als in einer Kleinmädchenfantasie, die kennt außerdem auch keine Rentenproblematik.
Als Jugendliche wurde es nicht besser. Ich wollte ich unbedingt eins dieser echt seltenen Studienfächer studieren. Hab ich auch gemacht, allerdings nur ein Semester: Das war nämlich Kacke. Nicht, dass es darüber was zu lästern gäbe, was Leute, Profs oder Inhalte angeht. Es war nur einfach stinkendlangweilig und scheiße arbeitsintensiv. Kurz: Genau wie so mancher Starschnitt-Promi in 3-D ein mittlerer Albtraum ist, sind Kindheitsträume in Wirklichkeit doch auch ziemlich….. nun: wirklichkeitsfern. Meine hielten nicht der sachtesten porstpubertären Belastungsprobe stand.
Dagegen wurde ich von was ganz anderem überrascht, das ich gar nicht aufm Zettel hatte: Von Kindern.
Die hauen es irgendwie raus. Sind verrückt, wo ich längst spießig bin. Lustig, wo ich längst träge bin. Aufgeregt, wo ich längst Müdigkeit vorlasse. Kreativ, wo meine Gedankengänge aus ihrer jahrelang geformten Bobbahn nie mehr rausspringen würden. Aufgeregt, wo ich Routine habe. Erfreut, wo ich kritisch zu sein gelernt habe. Unbefangen, wenn bei mir Ängste toben. Sie sind kurz gesagt all das, was ich sein sollte, wenn ich all den Reden folgen wollte, die so frenetisch gefeiert werden.
One day, Baby we`ll be old….. und ich bin dankbar, dass ich mir dann nicht vorwerfen muss, Angst gehabt zu haben vor dem Kinderkriegen. Wobei: Das hatte ich, bis zum Tag davor. So wie ich Angst hatte auf dem Weg zum neuen Job und vor der ersten Übernachtung bei meinem Mann und bevor ich mir die Haare abschneiden ließ. Bevor ich mit dem Fallschirm aus einer Cessna gesprungen bin und das erste Mal allein in die USA geflogen. One day, Baby, werden das die Geschichten sein, die ich zu erzählen habe. Und meine Kinder und Enkel werden lauschen. Und dann ist das Publikum, da bin ich sicher, geiler als die ollen Storys von Muddi.