
Schlaflos auf dem Glückstrip: Ein Jahr Nummer 2
Leute, wenn dieser Text online geht, dann ist es auf den Tag genau ein Jahr her, dass Nummer zwei zu uns stieß. Und es ist so gewöhnlich, passiert tausendfach am Tag, und im Einzelfall trotzdem jedesmal so, so unverwechselbar, einmalig, unvergesslich.
Manchmal denke ich: Ohne Kinder lauert da nur noch das Alter.
Unsere Eltern werden irgendwann sterben, danach werden wir gebrechlich, und nichts wird diese Entwicklung aufhalten, auch Kinder nicht. Aber sie lassen sie in einem anderen Licht erscheinen. Plötzlich macht alles so viel Sinn. Plötzlich kichert jemand die Trübsal weg. Schaut dich aus den Augen deines Schwiegervaters an, er wird fortdauern in seinen Enkeln. Du arbeitest nicht mehr für Wohlstand oder weil es keine Alternative gibt, sondern weil du Menschen hast, die dir schutzlos anvertraut sind.
Du trennst Müll nicht mehr aus Pflichtgefühl, sondern weil deine Kinder den bestmöglichen Planeten haben sollen. Du verzichtest, klar, auf Fußpflege, Kino, Karriere, was weiß ich. Aber plötzlich sind diese Dinge doch ohnehin nur Platzhalter in einer Leerstelle, die Kinder eben gar nicht mehr aufreißen lassen. Da ist keine Langeweile, kein „Was mache ich in diesem Urlaub“, sondern da ist Familie.
Wenn du ein Sabbatical nimmst, dann brauchst du dafür keinen Plan: Du hast Aufgaben. Wenn du frei hast, brauchst du keine Hobbys. Du musst dir nichts suchen, um es zu lieben. Toll, wenn man den Rest trotzdem hat: Interessanten Job, spannende Freizeit und so. Aber irgendwie kann ich das alles erst genießen, seit ich nicht mehr abhängig davon bin. Mein Glück muss nicht mehr an die Tür klopfen, ich habs immer bei mir. Und der Rest kommt on top.
Das erste Jahr geht schnell rum, beim zweiten Kind sogar noch einen Tick schneller. Aber es ist auch der Hammer. Wie eine durchtanzte Nacht. Ein Fest, eine Preisverleihung. Wie Flitterwochen oder der Blick in den Sternenhimmel über der Wüste. Wer weiß, was meine Erinnerung davon übrig lassen wird. Ich habe keine Zeit, inne zu halten, denn der Moment ist so schnell vergangen, wie ich ihn überhaupt erfassen kann. Jetzt geht das zweite Jahr los.
Allem Glück zum Trotz weiß ich: Es wird nie mehr schöner werden. Menschen werden gehen, unsere Kraft wird schwinden. Heute Abend ist Nummer zwei auf mir eingeschlafen, das Köpfchen in die Kuhle zwischen meinem Hals und Schlüsselbein vergraben. Er wird groß werden, und unabhängig. Das Glück hat viele Gesichter. Aber das Gesicht eines Babys hatte es an diesem Abend das letzte Mal.