Warum bin ich da eigentlich nicht früher drauf gekommen? Ich mach jetzt hier ne Buchrubrik auf. Denn das ist was, was ich vorbehaltlos, laut und nimmersatt (kinderliterarische Anspielung, alle so whoo-hoo!) mag: Bücher.

Allerdings gibt ein paar Bestseller, die sich hartnäckig in mein Leben drücken und die ich nicht ausstehen kann. Deswegen hier mein erster Beitrag zu Kinderbüchern, quasi als Prolog:

Sechs Kinderbücher, die tierisch nerven

Der Regenbogenfisch

Got it, wahrscheinlich soll das eine Parabel sein mit der Moral „Wer teilt, hat mehr vom Leben“ oder „Geben ist seliger denn Behalten“: Der kleine Regenbogenfisch ist wunderschön und glitzernd. Aber Freunde findet er erst, als er alle seine schönen Flossen an eben jene verteilt hat, die sie ihm zuvor neideten. Hm. Und nun? Stehen die Flossen für Reichtum? Kapitalismuskritik für Kleinkinder, okaaaay. Aber was, wenn sie für Talent stehen oder Schönheit oder Charisma oder womit ein Mensch aka Fisch sonst so Neid erregen könnte? Schrumpf dich auf Normalmaß, damit andere, zumal missgünstige, Zeitgenossen dich mögen? Puh, das macht mich eher ratlos. Ich wünsche meinen Kindern viele Paradiesvögel im Leben. Mit Glitzerflossen und allem zipp und zapp. Persönlich finde ich Glitzer in der ein oder anderen Form nämlich sehr liebenswert. Deswegen fliegt der arme Fisch samt der neidischen Meeres-Crowd bei mir auch raus.

 Conni

In ihrer irrwitzig überzeichneten Mittelschichtsnormopathie macht die mich einfach fertig. Wenn ich gemein wäre, würde ich sagen: Ich weiß, wie „Conni“ entstanden ist. Ein Professor an einem Literaturlehrstuhl gab die Hausaufgabe: „Schreiben Sie ein Kinderbuch. Wählen Sie als Protagonisten ausschließlich Figuren aus Ihrem direkten Umfeld. Verzichten Sie auf Fantasie und Komplexität der Handlung. Behandeln Sie Ihren Leser, als funktionierte nur seine rationale Hirnregion und verzichten Sie auf Spaß. Versuchen Sie, ein bisschen Oberlehrer zu sein: Die Protagonistin sollte ein nach Lob gierendes, immer erfolgreiches Ding sein. Schreiben Sie in einem Maße langweilig, dass sichergestellt ist, dass die Bücher niemals erfolgreich werden.“

So. Und warum die dann doch erfolgreich wurden, ist mir ein Rätsel. Eine Art schwarzer Schwan, Zufall, eine Laune der Konsumentengesellschaft. Kann ich nicht vorlesen.

Struwwelpeter

(stellvertretend für ein paar alte Klassiker wie „Struwwelliese“, „Häschenschule“ oder „Hänschen im Blaubeerwald“). Mal ist die Sprache nicht zum Aushalten antiquiert, mal geht mir die Autorität gegen den Strich, den die Werke noch wie selbstverständlich ausdünsten. Da wird vollkommen unreflektiert gehauen, am Ohr gezogen oder in den Keller gesperrt. Das hat so was von fies strafender Obrigkeit, und man muss nicht Lutheraner sein, um zu urteilen: Das ist nichts als angsteinflößend! Ich meine, im „Struwwelpeter“ bekommt ein Kind die Daumen abgeschnitten, weil es daran lutscht. Noch Fragen, anyone? Gruselig!

Es gab in den vergangenen Jahren oft Diskussionen darüber, ob Pippi Langstrumpf ihren Vater noch „Negerkönig“ sollte nennen dürfen oder nicht – und ob man Bücher in solcher und anderer Hinsicht zensieren aka anpassen darf. Meine bescheidene Meinung: Man muss. Das menschliche Verständnis von Recht, Moral, Diskriminierung und die literarische Auseinandersetzung damit haben sich in den vergangenen Jahrzehnten enorm verändert, zum Glück. Das bedeutet zwangsläufig, dass Bücher aus diesen Epochen nicht mehr nur als veraltet, sondern als diskriminierend, gewaltverherrlichend oder schlicht falsch wahrgenommen werden.

Das muss nicht heißen, dass wir sie gar nicht mehr lesen. Aber dass wir sie vielleicht nur noch zum Anlass nehmen, etwas zu erklären. Der Hedonist in mir fragt sich allerdings nach dem unterhaltenden Moment dieser Lesart. Nun, in Fällen wie Pippi Langstrumpf kann es das Buch eben retten, es in Kleinigkeiten anzupassen (zumal, wenn die Verwalter des literarischen Erbes das auch so sehen).

Im Übrigen: Kürzlich hat der LITERATUR SPIEGEL eine breite Sammlung von „Klassikern“ präsentiert, die man heute auch nicht mehr lesen kann, nicht mal mehr als Dokument ihrer Zeit. Weil sie sich sprachlich, inhaltlich, politisch oder kompositorisch schlicht überlebt haben. Wenn es einen Musil, Brecht oder Goethe (!) treffen kann, dann wohl erst recht einen Kinderbuchautor. Deswegen: Weg mit dem alten, gruseligen Kram! Und dann Schwamm drüber, es gibt ja immer noch genug coolen Stoff für werdende Leseratten.

Pettersson und Findus

Die stoßen mich gleich aus zwei Gründen ab: Die Illustrationen sprechen mich NULL an, Petterson finde ich unsympathisch gezeichnet, schütterer Bart und Schlapphut, diese Ungepflegtheit wirkt auf mich passiv aggressiv. Und auch wenn ich bei erwachsener Lektüre keine Identifikationsfigur brauche, finde ich sie bei (Klein-)Kinderbüchern sehr wohl wichtig. Sie fehlt aber bei Petterson und Findus. Dazu kommt die Handlung, bei der „Mitfiebern“ nicht recht möglich ist. Hier wird ständig geseufzt, Albträume (Kater) oder Wutausbrüche (Mensch) sind unkritisch wiederkehrende Motive (obwohl ich gestehen muss: Ich habe nicht alle Bücher gelesen. Mein Urteil könnte also in Teilen ungerecht sein). Von mir bekommt ihr jedenfalls keinen Platz im Regal, Pettersson und Findus (Hanse-Mami lässt die beiden im Heidi-Style grinsend links liegen).

Bobo Siebenschläfer

Der Autor muss die Mutter seiner Kinder sehr unzulänglich finden, wenn ich das Setting mal, kicher, küchenpsychologisch auf den Erzähler hin ergründen darf. Bobos Mutter darf nix außer Hausarbeit, während Sohnemann Abenteuer mit Papa erlebt. Reden die Eltern doch mal miteinander, dann wird der Leser Zeuge astreinen Mansplainings. Die Alte hat nämlich keine Ahnung von ihrem Kind und muss a-l-l-e-s vom Papa erklärt bekommen. Und das in wortkargen Stakkato-Sätzen, wie japanische Spielzeugroboter sie äußern würden, aber nicht Menschen.

Mal davon abgesehen, dass man sich davor fürchten könnte, die Gedankenwelt seiner Kinder mit dem Quatsch sehr rückschrittlich zu beeinflussen, kann ich den Kram einfach nicht vorlesen, weil er a) sprachlich so extrem holpert und mich b) nicht die Bohne amüsiert. Das Leben ist zu cool für Bobo, sorry.

Die Olchis

Eine eklige Mischung aus anbiederndem Kleinkind-Tourette (da wird gefurzt, gerülpst und gestunken, bis selbst Minis in ihrer analsten Phase nicht mehr kichern können) – und voraussehbarer Handlung, die dann aber kein bisschen abgedreht ist. Der ganze Müll und Gestank als Kulisse bleibt eindimensional und zweckfrei – und drauf geworfen werden phantasielos mäandernde Storys, die niemanden hinter dem, hihi, Müllberg hervorlocken.

 

Was aber macht ein Kinderbuch (vor-)lesenswert? Ich glaube, es ist vor allem eines: Phantasie. Ein schräger Blickwinkel für junge Leser, die ja noch keine „gewohnte Perspektive“ kennen und denen man deswegen viel mehr zumuten kann als erwachsenen. Eine Art kafkaeskes Setting, das Kinder aber als solches noch nicht wahrnehmen.

Denn sie sind noch so süß zu begeistern, man muss ihnen noch nicht quengelnde, pädagogisch wertvoll zu belehrende oder ehrgeizige Gleichaltrige vor die Nase setzen. Man muss sie nicht mit überraschungsloser Wortkargheit langweilen. Astrid Lindgren hat das vorgemacht mit ihren nonkonformistischen Protagonisten, die Pferde stemmen und sich hartnäckig gegen die Großen stellen konnten und mit dieser Geisteshaltung Abenteuer erleben, wie sie eine Conni nicht mal denken könnte. Der Grüffelo ist ein irrwitzig phantasievolles Fabelwesen, das zu Recht so erfolgreich ist, weil hier geniale, sehr pointierte Texte auf erstklassige Zeichnungen treffen. Inklusive Witz, der auch den Vorlesenden amüsiert (nicht mehr beim einhundertsten Mal, aber Kinder lieben Wiederholung nun mal, dagegen kann kein Dichter etwas ausrichten).

Nicht umsonst übrigens wird Harry Potter 20 Jahre nach seinem Erscheinen als vielschichtiges Werk gepriesen, das vor meisterhaft phantastisch-durchkomponierter Handlung zahlreiche psychologische, historische und literarische Bezüge trägt: Man muss Kinder nämlich auch nicht unterfordern. Nicht mit 14, aber auch nicht mit 4.

Im nächsten Blogbeitrag bekommt ihr hier deswegen ein paar Bücher gezeigt, die alles richtig machen. Booklove!

⚓ HAMBURG-TIPP

Es gibt so, so, so schöne Buchläden in Hamburg. Da ich sonst immer das Stories! empfehle, heute man das „Tolle Geschichten“ in Klein Borstel, bei uns um die Ecke. Cooler Laden – ich bin immer beeindruckt, wie viele Bücher man auf so kleinem Raum unterkriegt. Kleiner Bonus-Tipp: Man kann bei fast jedem unabhängigen Buchladen genauso bestellen wie bei den Riesen. Jast saying.