Kurz vorweg: Ich finds super, wenn Menschen ohne Kinder bleiben. Für mich wäre das voll in Ordnung gewesen, aber es lief eben anders, und nun finde ich das das Allerbeste an meinem Leben: Mann und Kinder zu haben.

Aber es hat sich noch was verändert: Ich habe erkannt, wie dämlich meine Argumentation gegen Kinder war. Achtung, große Sache, ich dachte:

„Ich will meine Freiheit nicht aufgeben.“

Manchmal verkleidete sie sich in Unteraspekte wie: „Ich mag es, zu reisen.“ „Ohne Zeit mit meinem Partner käme ich nicht aus.“ „Ich habe erkannt, dass mein Beruf mich voll ausfüllt.“

Aber seit ich doch Kinder habe, fällt mir auf: In meinen Aussagen steckte ein buchhalterischer Fehler. Kleine Rückführung ins erste Jahr Wirtschafts- und Rechtslehre: Wie funktioniert eine Bilanz? Richtig: Aktiva links, das ist das, was rein kommt. Und Passiva rechts, das sind die Beträge / Vermögenswerte, die abgehen. Wenn unterm Strich ein Plus rauskommt, läuft das Geschäft.

Genauso funktionierte meine Annahme, dass ein Leben ohne Kinder besser wäre. Hey, und so denken viele Menschen sehr oft! Wir ziehen eine Bilanz, deren Werte allerdings Prognosen sind, weil sie in der Zukunft liegen. In Wirklichkeit kennen wir nur die Kosten. Also entscheiden wir uns zum Beispiel für den Namibia-Trip, obwohl er teuer ist, weil er tolle Erlebnisse und Erholung bringen wird. Die scheinen einen gewissen Geldbetrag und die Urlaubstage wert zu sein. Oder wir votieren gegen den Kurs Mandarin-Chinesisch, weil uns die Mühe zu groß scheint für überschaubares Können als Gewinn.

So, und in dieser buchhalterischen Tradition steht nun die Entscheidung gegen Kinder: Weil man für sie potenziell eben alles aufgibt. Auf der „Aktiva“-Seite steht dann gedacht nur ein läppisches Kind, während sich auf der „Passiva“-Seite die Gegenargumente nur so tummeln, denn Kinder kosten Geld. Zeit. Die Karriere. Manchmal die Partnerschaft. Sie kosten Frauen potenziell einen Teil ihrer Schönheit. Und auch die Kinder selbst mogeln sich mit einem Fuß manchmal auf die „Minus“-Seite der Bilanz: Weil sie Windeln voll kacken, an der Kasse quengeln, dir mit 17 ins Gesicht spucken und mit dem Nachbarsjunkie durchbrennen. Sie sind so gesehen ein mieses, unsicheres und auf keinen Fall empfehlenswertes Geschäft.

Ich denke, wenn man so eine gedankliche Bilanz vorweg nimmt, kann man sich gesunden Geistes nur gegen ein Kind entscheiden. Aber man macht eben mehrere buchhalterische Fehler, den schon der WuR-Lehrer sofort als solche in der allerersten Stunde über Bilanzen enttarnt hätte:

  1. Man setzt verschiedene Perioden an. Denn selbst wenn das Kind mit 18 abhaut – dann wären doch 17 bis dahin fällige Jahresbilanzen vielleicht sehr positiv ausgefallen, und nur ein Idiot würde das ganze Unternehmen als Minusgeschäft verbuchen. Oder wenn das erste Jahr schlaftechnisch hart ist: Es werden noch sehr viele mehr kommen (Teenager zum Beispiel schlafen sehr, sehr gerne. Großeltern genießen nur noch: Ihre Enkel nämlich.)
  2. Tatsächlich gibt es ein Problem bei Bilanzen aller Art: Immaterielles als Wert zu beziffern. Also Wissen im Fall von Unternehmen. Im Fall Kind aber: Wissen. Liebe. Spaß. Das sind die Posten, die sich im Voraus eben schlecht abwägen lassen.

Jedenfalls sehe ich es heute so: Ein Kind zu haben mag „Nachteile“ haben.

Schlaflosigkeit.

Vollgekotzten Klamotten.

Ein ganzes Jahr ohne abends ausgehen (sind jetzt nur mal so Beispiele, die nicht mal eintreten müssen!)

Aber diese Kosten eines Kindes stehen eben nie für sich. Sondern: Auf der anderen Seite steht das Kind. Das glucksende, weiche, lachende und sich an dich klammernde Kind. Das Kind, dem du Dinos zeigst und den Mond und den Rest des Lebens. Das Kind, das dir irgendwann das erste Küsschen gibt und auf dein „Ich hab dich lieb“ „Auch“ antwortet. Das Kind, das sagt, dass es nie ausziehen will und genauso werden wie du. Das Kind, für das du gerne Geld für Klamotten ausgibst, weil es dir das Herz brechen würde, wenn es nackt aus dem Haus müsste. Für das du genau lieber auf den Bauernhof fährst als nach Rio.

Ja, da steht nur ein Kind auf der „Haben“-Seite. Aber ich habe auf keiner noch so langen „Geben“-Seite auch nur einen Punkt entdeckt, keine Summe der Widrigkeiten und Verluste, die in der Lage wären, meine Kinder aufzuwiegen. Meine Bilanz der Angst, mein „ich will das Reisen / Arbeiten / Ausgehen nicht aufgeben“, war falsch.

Am ehesten, liebe Freunde der Bilanzen, ist es wohl so: Wenn du gerade auf Tobago Beach Volleyball gespielt hast und mit einem kühlen Corona in der Hand neben der Liebe deines Lebens im Sand liegst, dann tanzt du im selben Moment nicht mit ihm auf der Golden Gate Bridge dem Sonnenuntergang entgegen, den Verlobungsring für den Heiratsantrag in der Tasche bereit. Denn DAS ist in Wirklichkeit die Wahl, die du hast: Ob du ein geiles Leben gegen ein anderes geiles Leben tauschst.

Wenn du das weißt und dich gegen Kinder entscheidest, dann ist alles gut. Wenn du aber keine Kinder willst, weil du nur die Verluste siehst und den Gewinn nicht bemessen kannst, dann hast du dich wahrscheinlich verrechnet.

⚓ MUSIK-TIPP

Gerade hat Ina Müller einen sehr berührenden Song darüber geschrieben, wie es ist, sich gegen Kinder zu entscheiden – und sich dann zu fragen, ob man die Bilanz richtig berechnet hat. Hören und mitheulen und über Kinder freuen.