Manchmal bekomme ich auf Facebook diese Aufrufe: Ein Kind, das an Leukämie erkrankt ist, sucht einen Knochenmarkspender. Manchmal schreiben dann richtig gute Freunde: „Das ist der beste Kumpel meines Sohnes, ich lass mich jetzt auch registrieren…“ oder so.

Ich frage mich dann immer: WIESO?

Wieso erst jetzt?

Ich bin schon ewig bei der Deutschen Knochenmarkspendedatei registriert, war schon mal Spender und kann deswegen wirklich nicht verstehen, wieso man da NICHT Mitglied ist.

Nehmen wir an, du wirst morgen aus dem Leben gerissen. Was ist die eine Tat, die dein Leben mehr als sinnvoll gemacht hat? Ich schätze, in diesem kleinen fiesen Denkmodell käme „Ich habe jemand anderem das Leben gerettet“ relativ weit oben, oder? Deswegen ist so eine Knochenmarkspende so irre. Denn sie ist so easy (jedenfalls für den Spender):

  • Speichel abgeben – damit ist man registriert. Unbemerkt von dir und dem Rest der Weltöffentlichkeit isolieren hundert blendend aussehende Nobelpreisträger daraus deine DNA (jedenfalls stell ich mir das so vor).
  • Irgendwann kommt ein Anruf: Du könntest der passende Spender sein – ab zur Blutentnahme beim Hausarzt.
  • Dafür bekommt der ein extra Set. Nimmt dir ein paar Kanülen Blut ab („Mag ich nicht“ gibt’s nicht, müsstest du in anderen Notfällen ja auch können).
  • Die Merkmale passen? Dann geht’s ab in die passende Klinik, bei der die Knochenmarkspende stattfinden soll. In meinem Fall war das Dresden. Dort bekommt man alles gezeigt. Und hier kommt später auch der härteste Part: Für de Knochenmarkspende hängst du an einem Apparat, bei dem dir das Blut am einen Arm entnommen wird. Eine Art Raumschiff wäscht raus, was es braucht – und den Rest bekommst du über die andere Armbeuge wieder. Der Vorgang dauert ein paar Stunden, während dessen darfst du DVD gucken oder mit deinem Sitznachbarn flirten. Im schlechten Fall zwei Tage nacheinander (oder im guten, je nach Sitznachbar). („Mag ich nicht“ gibt`s auch hier nicht, denn Ähnliches tun Nierenkranke ständig. Und bei Nierenversagen würdest du das ja auch schaffen).
  • Außerdem wirst du in der Klinik mental vorbereitet. Kurz vorher kneifen wäre eine Katastrophe, denn mit der Zusage wird die Immunabwehr des Krebskranken unterdrückt. Nur dann ist er bereit für fremde Zellen. Kämen die dann doch nicht, wäre er dem Tod geweiht. (Nennt man Ja-sagen, klappt ja auch beim Kinderkriegen. Ist nicht so schwierig, wie Langzeit-Singles behaupten.)
  • Mitgebsel: Ein Medikament, das deinen Körper dazu anregt, viel Knochenmark zu produzieren. Das musst du dir ein paar Tage lang selbst spritzen (tun Diabetiker auch, nur mit einem anderen Zeug, klar).
  • Irgendwann kommt Tag X, an dem du in die Klinik einbestellt wirst und dann geht’s dir ans Knochenmark: Du und das Raumschiff, ihr wascht aus deinem Blut, was da so gebraucht wird von den Forschern. Also den super-gut aussehenden Mehrfach-Nobelpreisträgern mit Bauchmuskeln und gebleichten Zähnen, die dann die „Transplantation“ vornehmen.
  • Diesen Rauswasch-Vorgang habe ich leider nicht mehr machen müssen: „Mein“ Patient, nun: Konnte keine Spende bekommen, da er eine Infektion hatte. Ich bekam einen sehr netten Absage-Brief von der DKMS – und an der Stelle endet meine Info.
  • Aber schon vom Zusehen kann ich sagen: Dieser Spendevorgang sieht unangenehm aus, keine Frage. Langweilig. Ein bisschen schmerzhaft. Auch irgendwie unwirklich. Aber er ist allemal ein Menschenleben wert. Ich würde noch viel mehr tun, um eins zu retten. Insofern kann ich behaupten: Es ist eine der vielleicht einfachsten Arten, ein Menschenleben zu retten, die ich kenne. SO billig ist ein Leben.

Wenn eines meiner (Teilzeit-) Kinder Stammzellen bräuchte, dann würde ich auch beten, betteln, flehen, dass es gerettet wird. Ich würde von jedem Menschen in meinem Umfeld ERWARTEN, dass er diese winzige Prozedur auf sich nimmt, um es zu retten.

Und mir will nicht einfallen, warum das Leben eines anderen Kindes, einer anderen Mutter, eines anderen Opis weniger wichtig sein soll. Warum ich für ihn oder sie nicht einen halben Tag Stammzellen spenden soll. Es ist keine Organspende (falls man die nicht mag), man muss nicht mal was hergeben. Meist nicht mal einen Urlaubstag, Arbeitgeber sind da kulant.

Deswegen heute mein nicht nur

HAMBURG-TIPP

Hier registriert ihr euch bei der DKMS. Ach ja, finanziell unterstützen kann man natürlich auch.