
Wie die letzte Reise ohne Kind mich alles übers Kinderhaben lehrte
Menschen lassen sich oft in zwei Gruppen einteilen:
Raucher-Nichtraucher.
Computerfreaks-PC-Analphabeten.
Camper-Campinghasser. So.
Wahrscheinlich ist das auch so mit Menschen, die Reiserücktrittsversicherungen abschließen und solchen, die das nicht tun. Ich bin letzteres. So auch 2012. Ich buchte mit meinem Lieblingsmann einen Maurititus-Trip. Wurde schwanger. Und flog dann trotzdem, einfach, weil es die Reise gab. Obwohl mein Magen samt Dauer-Hyperemesis lieber zu Hause geblieben wäre.
Ich dachte: Wird schon. Meine Ärztin sagte: Wird schon.
Also war mir zwei Wochen rabenübel auf Mauritius. Unser täglicher Weg zum Strand führte uns nicht entlang der charmanten Promenade, sondern über verwinkelte Gassen hinter den Apartmenthäusern. Weil der Geruch der Strandbuden und indischen Grillwagen meinen Magen buchstäblich umstülpte. Wir also wie Einbrecher in Hamburg-Volksdorf durch die Gärten. Aber auch so war mir viel schlecht. Eigentlich immer.
Irgendwie war das okay für mich, ich mochte den Trip trotzdem, nur mein Mann tat mir leid. Er wollte partout keinen Ausflug alleine unternehmen, also machten wir aus: Wir schaffen einen Tagestrip. Mit Vomex in der Blutbahn und dem Mut der Verzweiflung im Herzen ab zum Taxistand. Der Fahrer war super, super alt. Faltig, zahnlos, fast zum Buckel gebeugte Körperhaltung. Wir fuhren los, den, nun ja: Attraktionen entgegen.
Mir war natürlich schlecht, aber ich wollte das. Märkte, eine Stadt, Tiere, bunte Erden, es war die volle Palette. Irgendwann setzte der Opi uns an einem Urwald ab, in dem mein Lieblingsmann und ich spazieren gingen. In Shorts, Flip-Flops und T-Shirt, wie abgesetzte Idioten vom Luxusdampfer einfach mal so mitten in den Wald. Und da war mir nun nicht nur schlecht, sondern meine Schleimhäute drehten hormonell komplett durch – es setzte episches Nasenbluten ein. Leider hatten wir exakt NICHTS, was den Blutstrom aufgehalten hätte. Und vielleicht weiß ich zuviel über Medizin, aber in den uns umgebenden lauwarmen Tümpeln konnte ich mein Gesicht und meine Hände nicht waschen. Leptospirose, Bilharziose, was weiß ich, das Wasser schien weniger SAUBER und mehr GEFÄHRLICH. Also nahm ich mein weißes Shirt, drückte es auf mein Gesicht und ließ es vollbluten.Irgendwann war’s vorbei und wir guckten noch ein paar Frösche, Bäche, Lianen und Bäume an.
Nach zwei Stunden traten wir aus dem Wald zurück auf die Lichtung, Richtung Taxifahrer. Ich habe selten so viele Facetten von Ratlosigkeit auf einem Gesicht gesehen wie bei ihm: Er rätselte offensichtlich über das Blut, das ü-ber-all auf mir war – und unsere Fröhlichkeit, die diesen Fakt komplett ausblendete. Er öffnete uns die Tür seines Wagens und ließ uns wieder rein, um uns zurück zum Hotel zu bringen. Wahrscheinlich war es mein Horror-Auftritt als blutgetränkter Zombie, der seine Hemmungen schrumpfen ließ, auf jeden Fall fuhr er nun weite Umwege. Vorbei an unzähligen Buden, bewirtschaftet von „cousins“, wie er sagte, und aus jeder kam irgendein Typ, der Geld verlangte und uns dafür unaufgefordert Waren ins Auto reichte. Station eins: Ein Melitta-Toppits-Beutel mit Seafood in roter Soße plus zwei Pommespiekser. Nicht für tausend Euro hätte ich meinem geplagten Magen das zugemutet, mein Mann referierte kurz über die Wichtigkeit von Höflichkeit in internationalen Beziehungen und mampfte tapfer alles auf. Station zwei: Eine geschälte, aber komplett braune Ananas, die ich ebenso grundgeekelt weiterreichte. Nun argumentierte mein Mann damit, dass die Süße der überreifen Frucht die Schärfe des Seafoods ganz prächtig neutralisierte – und aß. Mich brachte das dermaßen zum Lachen, dass mein Magen sich zusammendrückte – ich reierte aus dem Autofenster neben mir.
Kurz drauf entließ uns der Fahrer, und selten haben wir ein zu hohes Trinkgeld mit so viel Liebe gegeben wie nach diesem Trip. Ich war eine vollgeblutete, kotzende Passagierin, die fragende Blicke erntete – und wenn ich heute daran denke, glaube ich: Das war Lektion eins des Elterngottes. Denn unverhoffte Situationen, nah an der Würdelosigkeit, in denen Andere mich verständnislos anblicken: Check. Das hatte ich nun im Repertoire. Eine gute Vorbereitung aufs Elternsein.
⚓ REISE-TIPP
Mauritius, aber wirklich ein Paradies. Mit den stoischsten Taxifahrern der Welt, denke ich. Echten Tipp googelt ihr selber, ja? Wir fanden das Sugar Beach in Flic-en-Flac einen Knaller.