
Wie fühlt sich das Leben mit Kindern an?
Das Leben mit Kindern fühlt sich so an: Du hast ein ein Meter vierzig breites Laken – und dein Bett ist eins sechzig breit. So sehr du dich mühst, zerrst, schwitzt: Irgendwo spannt es. Du kriegst einfach nicht alles abgedeckt. Die Myriaden von Bedürfnissen der Kids, aber auch alles, was sonst so stattfinden sollte. Freundschaften. Geld verdienen. Geld sparen. Sport machen. Zeitung lesen.
Neulich sagte eine Freundin zu mir: In meinen Texten auf diesem Blog wirkt alles rosarot. Darüber habe ich lange nachgedacht – und auch darüber, warum das so ist. Tatsächlich aus zwei Gründen:
Erstens: Ich schütze meine Kinder. Es gibt tolle Blogger, die witzig darüber schreiben können, wie oft ihre Kinder kacken (sic!) – und in was für unpassenden Situationen. Vielleicht könnte ich das auch – aber wann immer ich solche Texte zu tippen beginne, schiebt sich das Recht der Kleinen auf informationelle Selbstbestimmung zwischen meine Fingerspitzen und meine Tastatur und lähmt mich. In nur drei Jahren kann einer von ihnen lesen, in nur acht wird Puffi präpubertär sein – ich finde, es ist meine verdammte, riesige Pflicht, ihn nicht im Internet vorzuführen, auch und erst recht nicht für Witze, Applaus, Klicks.
Zweitens: Ich schütze auch mich. Mir war von Anfang an klar, dass es schwierig werden könnte, ein Elternblog ohne allzu persönliche Einblicke zu gestalten, aber so möchte ich es eben. Wer wie ich auch mal beim Boulevard gearbeitet hat, weiß: Fast 100 Prozent der vermeintlich enthüllenden / schockierenden / heimlich recherchierten Storys dort werden von den Promis selbst lanciert. Das ist ein Markt, auf den ich mich nicht werfen will, nicht mal im bescheidenen Rahmen eines lokalen Blogs. (Übrigens reichen manche Promis erst Infos über sich an die Chefredaktion des bevorzugten Mediums … und kurz danach Klage über die Veröffentlichung ein. Um den Schein in der, klar, Öffentlichkeit zu wahren. Erst Kinder zu zeigen und dann über die Folgen zu lamentieren, wäre für mich das Gleiche.)
Tja, und heraus kommt wohl das Rosarot, das die Welt schützt davor, einen allzu offenen Einblick zu bekommen in die tobenden, heulenden, verrotzten und stinkenden Nachmittage mit meinen Kindern, die es ja geben muss, wo es eben Kinder gibt. Die den Blick bewahrt auf mich in Klamotten voll Milchkotze, mit ungewaschenem Haar und unausgeschlafener Laune. Mit der Angst vor Krankheit, Tod, Verlust, die viel stärker in einem Leben präsent ist, in dem ich mehr zu verlieren habe.
Ich fotografiere keine Sonntagsfrühstücke, keine Ausflüge, kein Interieur hier – und halte mich damit fern von der durchästhetisierten Instagram-Welt, wie sie oft kritisiert wird als druckaufbauend auf Normalbürger (mal von denen ganz zu schweigen, die diese Fotos immer herstellen wollen oder müssen). Aber ich biete eben auch keine Chronik der familiären Scheußlichkeiten, die ich hier mal vage nur als existent benennen möchte. Wo immer ihr hier also eine Leerstelle entdeckt, lasst euch gesagt sein: Sie soll nichts kaschieren. Es geht nicht darum, nur die Euphorie zu teilen, das Schöne zur Schau zu stellen – und das Unperfekte unter den Teppich zu kehren. Die Auslassungen gibt es, weil ich einfach nur ein Privatmensch bin, der hier manchmal was schreibt.
Auch mein Blog ist also wie ein zu klein geratenes Laken: Es wird nie jeden Bereich abdecken.
⚓ LITERATUR-TIPP
In meiner Magisterarbeit ging es um etwas Ähnliches: Fragment und Totalität. Darum also, wie Autoren es schaffen, das Bild eines Ganzen zu vermitteln, indem sie Bruchstücke liefern – aus verschiedenen Perspektiven. Gerade habe ich einen Jahrhundert-Roman gelesen, der das so auch macht und eine Ehe beschreibt: Erst aus seiner Sicht, dann aus ihrer. Klar, dass das Bild zusammen gesetzt viel mehr und ganz anders ist. Ich empfehle „Licht und Zorn“ der Amerikanerin Lauren Groff hiermit ausdrücklich. Aber ich verstehe, wenn ihr Eltern vielleicht auch gerade keine Zeit habt für Literatur.
Der Link führt wie immer unbezahlt auf meine liebste Hamburger Buchhandlung. Bei der man genauso bestellen kann wie bei gewissen Internet-Riesen.